Sally Cahn
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Sally Cahn wurde am 21.9.1894 in Königstein geboren. Er war Kaufmann und betrieb einen Vieh- und Pferdehandel im Elternhaus, den er von seinen Eltern übernommen hatte.

1932 heiratete er Anna Margarethe Koch, das Paar hatte eine im selben Jahr geborene Tochter Wilma. Anna Margarethe Koch war evangelisch. Auch die gemeinsame Tochter wurde 1938 auf Antrag der Mutter evangelisch getauft, möglicherweise um dem Kind kurz vor der Einschulung durch die Taufe Schutz zu geben.

Sally Cahns Eltern Bernhard und Bertha Cahn, geb. Stern, sind auf dem Falkensteiner Friedhof beerdigt. Er hatte eine zwei Jahre jüngere Schwester Selma.

Vermutlich stand er auch in einer Beziehung zu Rosa Cahn, geb. Rosenthal und deren Ehemann, dem Metzgermeister Ferdinand Cahn II in Königstein, denn in einem Dokument wird Sally Cahn als „Miterbe hinter den Eheleuten“ bezeichnet.

Bereits 1934 konnte Sally Cahn sein Geschäft als selbständiger Viehhändler nicht mehr betreiben. Der Lebensunterhalt der Familie wurde daher im Wesentlichen durch seine Ehefrau bestritten, die bei der Familie von Goldschmidt-Rothschild und im Sanatorium Kohnstamm arbeitete. Danach wurde Anna Margarethe Cahn von der Stadt Königstein verpflichtet, neu erbaute Häuser der Stadt und die Oberrealschule zu reinigen.

Am 9. November 1938 abends um halb sieben erbrachen laut Schilderung von Sally Cahns Ehefrau Anna Margarethe SA-Männer mit einem Stemmeisen die Haustür. Im Erdgeschoss demolierten sie die Türen und die Möbel der jüdischen Familie Steinberg. Danach kamen sie in den ersten Stock. Alles was ihnen in den Weg kam, warfen sie um. Als sie eine Lampe aus dem Fenster warfen, wies Sally Cahn darauf hin, dass alles Eigentum seiner Frau sei. Ein SA-Mann erwiderte daraufhin: „Hier haben wir die Sauerei.“ Ein anderer schlug auf Sally Cahn ein. Später kam ein Polizist, besah sich den Schaden und ging wieder.

Am Tag danach wurde Sally Cahn zusammen mit anderen Königsteiner Männern verhaftet und nach Buchenwald gebracht. Auf der Fahrt dorthin wurde er mit einem Gewehrkolben ins Gesicht geschlagen. Beim Ausladen in Buchenwald verletzte er sich am Fuß, ein jüdischer Arzt und Mitgefangener kümmerte sich notdürftig um diese Verletzung. 48 Stunden mussten die Männer stehen, bevor sie in Baracken untergebracht wurden. Die Gefangenen bekamen zwei Wochen nichts zu trinken, sie tranken Regenwasser aus den Dachtraufen.

Zunächst musste Sally Cahn in Buchenwald nicht arbeiten. Dann wurde er in einem Steinbruch eingesetzt, Steine zu einer Chaussee zu bringen, die neu gebaut wurde. Die körperlich schwere Arbeit war er nicht gewohnt.

Seine Frau und seine Schwester in Bielefeld besorgten ihm schließlich Schiffspapiere, so dass Sally Cahn am 12.4.1939 aus dem KZ entlassen wurde und im Mai über Triest nach Shanghai auswanderte.

Gesundheitlich war er nicht mehr in der Lage zu arbeiten. In Shanghai wurden die Emigranten von amerikanisch-jüdischen Komitees unterstützt. Sie lebten in verschiedenen Camps, immer mit vielen Personen in einem Raum. Schließlich wurde der Wohnbezirk mit Stacheldraht umzäunt und durfte nur zum Arbeiten verlassen werden.

1943 wurde Sally Cahns Ehe in Abwesenheit geschieden. Auch seine Frau und seine Tochter waren in der NS-Zeit erheblichen Anfeindungen, Schikanen, Kontrollen sowie wirtschaftlichen Schwierigkeiten ausgesetzt. Anna Margarethe Cahn konnte das Haus in der Neugasse 1 nicht auf sich überschreiben lassen. Das Mobiliar musste sie zu Schleuderpreisen verkaufen. Die Räumung der Wohnung wurde erzwungen und sie wurde in eine Notwohnung eingewiesen. Der Tochter wurde eine halbe Stunde vor Schulbeginn im April 1939 die Einschulung verweigert. Erst Anfang 1940 konnte sie ins Philantropin nach Frankfurt zur Schule gehen und musste deshalb bei einer Pflegefamilie leben. 1942 wurde dann zwar der Besuch der Königsteiner Volksschule genehmigt, da die Kosten für die Pflegefamilie zu teuer wurden. Als „Mischling“ durfte Wilma später jedoch nicht auf die Oberschule gehen.

Im August 1947 kam Sally Cahn zunächst nach Königstein zurück, zog dann aber nach Frankfurt, da die Ehe nicht mehr zu retten war.

Sally Cahn kehrte als kranker Mann nach Deutschland zurück, diverse ärztliche Atteste geben Zeugnis davon. 1957 starb er in Königstein in der Klinik Amelung. Seine letzten zehn Lebensjahre in Deutschland waren durch Krankheit und Auseinandersetzungen mit den Behörden um Entschädigungen geprägt.

 

Text: Petra Geis