Familie Matthias
Hauptstraße 21

Die am 14. Februar 1882 in Karlsruhe geborene Marta Matthias, geb. Lippmann, war laut Meldekartei von Januar 1931 bis 1936 mit zweitem Wohnsitz in der Hauptstraße 21 gemeldet. Ihren Hauptwohnsitz hatte sie in Frankfurt in der Große Gallusstraße. Marta Matthias hatte zwei Kinder Bernd Theo (geb. 8.6.1918) und Judith Luise (geb. 18.6.1920). Die Familie war jüdischen Glaubens.

1923 hatte Marta Matthias das Haus Hauptstraße 21 nebst Park und Gartenvilla von Alfred Franz Borgnis gekauft. 1926 bot sie das Anwesen der Stadt Königstein zur Miete und nur einen Monat später über die Maklerin Louise Gemmer-Henlein auch zum Kauf an. Im Juli 1926 beschlossen die Stadtverordneten, das Angebot anzunehmen, Anfang August 1926 wurde der Kaufvertrag unterzeichnet. Der Kaufpreis betrug 120.000 Goldmark (GMk), die Stadt machte eine Anzahlung von 20.000 GMk, der Rest wurde für zehn Jahre bis zum Jahr 1936 gestundet. Die „Goldmark“ unterschied sich von der durch Inflation entwerteten Reichsmark durch ihr fest definiertes Verhältnis zum Gold und entsprach 0,358423 Gramm Feingold.

Marta Matthias behielt eine Wohnung im Südflügel des Hauses Hauptstraße 21. Auch die Familie Borgnis hatte dort noch eine Wohnung. Marta durfte einen kleinen Abschnitt des Parks privat nutzen, ebenso wurde ihr die unentgeltliche Belieferung mit Blumen und Gemüse aus der Gärtnerei zugesichert. In der Gartenvilla richtete die Stadt ihr neues Kurhaus ein.

Offensichtlich hatte die Stadt 1936 nicht genügend Geld, um den am 1. August 1936 fälligen Restbetrag der Kaufsumme zu zahlen. In einem Schreiben vom 26. März 1936 an die Stadt Königstein bot Marta Matthias eine weitere Stundung an. Den mit Schreibmaschine auf ihrem mit „MM“ bedruckten Briefpapier getippten Vorschlag unterschrieb sie: „Mit deutschem Gruß“. Schließlich kam es zwischen der „Witwe des Herrn Ludwig Matthias“ und Bürgermeister Dr. Otto Albrecht zu einer Änderung des Kaufvertrags: Auf die „Restkaufgeldforderung“ zahlte die Stadt einen Teilbetrag von 25.000 Goldmark. Die restlichen 75.000 Goldmark sollten von der Stadt ab August 1936 verzinst und regelmäßig laut einem Tilgungsplan mit 8750 Goldmark jährlich abgetragen werden. Marta Matthias räumte zum 1. April 1936 ihre Wohnung im Südflügel der Hauptstraße 21 und zog für ein halbes Jahr in den Nordflügel. Zum 31. Oktober 1936 musste sie endgültig ausziehen und meldete sich zu ihrem Hauptwohnsitz in Frankfurt ab.

Ihr Sohn Bernd Matthias promovierte 1943 an der ETH Zürich in Physik und ging dann in die USA, wo er u.a. am Massachusetts Institute of Technology (MIT), an den Universitäten von Chicago und Kalifornien über Supraleiter forschte. Nach ihm ist der Bernd T. Matthias Prize for Superconducting Materials benannt.

Seine Schwester Judith war zunächst im Internat in der Schweiz. Als das Geld aus Deutschland ausblieb, musste sie in der Landwirtschaft arbeiten. Später sorgte ihr Bruder dafür, dass sie in die USA nachkommen konnte. Nach dem Krieg arbeitete sie als Dolmetscherin bei internationalen Organisationen. 1950 heiratete sie den italienischen Pianisten Massimo Bogianckino (1922-2009), der in den 1980er Jahren die Opéra de Paris leitete und danach Bürgermeister von Florenz wurde. Judith Matthias kam, wenn sie beruflich in Frankfurt zu tun hatte, auch nach Königstein, um hier ihre Jugendfreundin Katharina Köster zu besuchen.

Für die Familie Matthias wurden noch keine Stolpersteine verlegt.

Text: Petra Geis