Moritz Seligmann
Thewaltstraße 9

IMG 1621 Stolperstein 

Moritz Seligmann wurde am 25. Juni 1881 in Gau-Algesheim bei Bingen geboren. Seine Eltern waren August und Rosa Seligmann. Von Beruf war er war Kaufmann. Im Ersten Weltkrieg erhielt er das Frontkämpferehrenkreuz, bis Oktober 1919 war er zwei Jahre lang in Kriegsgefangenschaft.

Moritz Seligmann war Mitglied im "Radfahrerverein 1898 e.V. Gau-Algesheim". Er war dort Fahrwart, zeitweise auch Kassenprüfer und übernahm auch die Aufsicht bei Rennen. Ihm wurde "ausgleichendes Wesen" attestiert. Kurz bevor er nach Königstein kam, gehörte er dem Festausschuss und der Vergnügungskommission für das 25-jährige Stiftungsfest an. 1925 ließ er sich sein Erbe auszahlen und verließ Gau-Algesheim aus unbekannten Gründen.  Nach Königstein zog er zusammen mit seiner Frau Therese geb. Diekenscheid im Oktober 1925 und lebte hier in der Theresenstraße 5. In den 1930er Jahren war der mittlerweile geschiedene Moritz Seligmann in der Thewaltstr. 9 in einem städtischen Haus zur Untermiete gemeldet. 

Moritz Seligmann gehörte zu den Königsteiner Männern, die nach der Reichspogromnacht am 11. November 1938 festgenommen und nach Buchenwald gebracht wurden. Ein Zeitzeuge, der auch in der Thewaltstraße 9 wohnte, erinnert sich daran, wie Moritz Seligmann die Treppe herunter kam, als er damals abgeholt wurde. Er hatte einen dicken Mantel an und zeigte auf das EK des Ersten Weltkriegs. „Das ist meine Versicherung“ flüsterte Moritz Seligmann. Aus der „Einlieferungs – Sistierungs –Anzeige“ geht hervor, dass Seligmann zu diesem Zeitpunkt als Erwerbsloser bei der Stadt Königstein beschäftigt war. Im Dezember 1938 schrieb Moritz Seligmann aus dem Konzentrationslager Buchenwald auf einer vorgedruckten Postkarte an die Polizei-Verwaltung Königstein:
„Hierdurch möchte ich Sie höfl bitten, der Kommandantur des Konzentrationslagers Buchenwald-Weimar zu bestätigen, dass ich im Besitz der von Ihnen erhaltenen Ehrenurkunde des verliehenen Frontkämpferkreuzes bin … Vielen Dank für Ihre freundliche Bemühung Moritz Seligmann“

Am 22. Dezember 1938 schrieb die Geheime Staatspolizei in Frankfurt an den Landrat in Bad Homburg:
„Der Jude Moritz Seligmann, wohnhaft in Königstein, Thewaltstr. hat sich bereit erklärt bis 31.3.39 auszuwandern. Er ist angewiesen, sich 2 Mal wöchentlich auf seinem Wohnrevier zu melden. Ich bitte, die Meldungen des Obengenannten zu überwachen und die Meldetage auf der Rückseite dieses Schreibens zu vermerken. Falls S. bis zu dem festgesetzten Termin nicht zur Auswanderung gekommen ist, bitte ich ihn festzunehmen und in das Polizeigefängnis einzuliefern unter Beifügung dieses Schreibens.“

Am 28. März 1939 gab es wieder ein Schreiben der Frankfurter Gestapo. Darin wurde bestätigt, dass der „Aktionsjude“ Moritz Seligmann wohnhaft in Königstein, Neue Gasse 1 als Frontkämpfer am Weltkrieg teilgenommen hat. „Für ihn wird daher die Meldepflicht und die Auswanderungspflicht aufgehoben.“ Weil er sich bereit erklärt hatte auszuwandern, wurde Moritz Seligmann Ende 1938 aus dem KZ Buchenwald entlassen. Auch die Teilnahme am ersten Weltkrieg könnte seine KZ-Entlassung unterstützt haben. Allerdings zog er dann von der Thewaltstraße in die Neugasse 1 in das Haus von Sally Cahn, der auch in Buchenwald war. Man kann davon ausgehen, dass Moritz Seligmann nicht ganz freiwillig in die Neugasse 1 gezogen ist. Möglicherweise hatten seine Vermieter sein Zimmer in der Zeit, in der er in Buchenwald war, an jemand anderes vermietet.

Im Juni 1940 wurde Moritz Seligmann von der Reichsvereinigung der Juden, Abt. Fürsorge unterstützt. Er wollte auswandern, deshalb gab es zunächst eine Sicherungsanordnung. Da er jedoch ein geringes Einkommen hatte, wurde diese am 26. 6. 1940 wieder aufgehoben. Warum seine Auswanderung scheiterte, erklärt die „höhere Nummer“ auf die Moritz Seligmann in einem handschriftlichen Schreiben vom 11. Mai 1940 an den Königsteiner Bürgermeister verweist: „Auf das Schreiben v. 7. Mai 40 erlaube ich mir gef. Mitzuteilen, daß (ich) im Besitze einer Bürgschaft für U.S.A. bin. Doch meine höhere Nummer beim amerik. Consulat in Stuttgart konnte noch nicht aufgerufen werden und hoffe ich sobald als mögl an die Reihe zu kommen. Ich war Frontkämpfer bin im Besitze des Frontkämpferehrenkreuzes. Auch war ich 2 Jahre bis Okt. 19 in Kriegsgefangenschaft. Ich bitte um Verlängerung der Frist.“

Moritz Seligmann musste zu lange auf seine Auswanderung warten. Am 10. Juni 1942 wurde er „nach dem Osten abtransportiert“ wie die Königsteiner Meldekartei lapidar vermerkt. Wohin genau Moritz Seligmann kam und wann er starb ist unbekannt.

Text: Petra Geis